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Wirtschaft und Ethik. Passt das überhaupt zusammen?

Veröffentlicht am 14. Juni 2015 um 22:40 von Eva Kelley

Am letzten Tag der Konferenz nehme ich noch die Podiumsdiskussion „Wozu Wirtschaftsethik?“ mit. Elisa Klapheck, Rabbinerin einer liberalen Synagogengemeinschaft, Michael Bongardt, Philosoph und katholischer Theologe, sowie Hans Dieffenbacher, Professor für VWL, sprechen unter Leitung der Journalistin Jacqueline Boysen darüber, wie Wirtschaft im Bezug zu Ethik steht. Ein Ré­su­mé.

Von Links: Hans Dieffenbacher, Elisa Klapheck, Michael Bongardt, Jacqueline Boysen.

Von links: Hans Dieffenbacher, Elisa Klapheck, Michael Bongardt, Jacqueline Boysen.

„Wir beginnen pünktlich und enden auch pünktlich. Denn es ist sinnvoll ökonomisch mit seiner Zeit umzugehen“, sagt Boysen zu Beginn der Diskussion. Effizienz als eines der Themen der Konferenz hat sich am letzten Tag offensichtlich durchgesetzt in den Köpfen der Teilnehmenden.

Also, wozu denn jetzt eigentlich Wirtschaftsethik?

Rabbinerin Klapheck findet, dass ein Zusammenhang zwischen ethischen Normen und ökonomischer Vernunft hergestellt werden muss. Allein schon das Nicht-Wissen in Wirtschaftsbelangen sei unethisch. Man solle das System verstehen, bevor man urteilt. Das sei sonst, auch den Bankern gegenüber, unfair. Religion könne in der Wirtschaft „anteilig“ eine Rolle spielen, weil sie die Gestalt der Zusammenarbeit zwischen Menschen und damit letztlich die Herstellung des Gemeinwesens reflektiere.

Philosoph Bongardt beginnt mit der Feststellung, dass Ethik nichts anderes sei, als darüber nachzudenken, was wir tun sollten. Und wie es gelingen könne, das, was richtig ist, auch tun zu wollen. Es müsse sich lohnen, gut zu sein. Dieser Gedanke sollte in unser wirtschaftliches Denken integriert werden.

Völlig überraschend bemerkt er zwischendurch, dass es in der katholischen Kirche eine „merkwürdige Fokussierung auf unsere Geschlechtsorgane“ gibt. Ich frage mich, ob ich gerade ein Black-out hatte und deswegen den Sinn dieses Satzes nicht nachvollziehen kann, oder ob Bongardt das einfach mal so loswerden wollte. Boysens Reaktion: „Sagen Sie ruhig Gender.“ Alles klar.

VWL-Experte Dieffenbacher lenkt den Fokus auf den einzelnen Verbraucher. Wir müssen auf diejenigen achten, die eine geringe Kaufkraft haben. Er findet, dass die Idee vom „unbegrenzten Wachstum“ unsinnig sei. Wachstum ist ein Prozess des Werdens und Vergehens.

Damit ist Klapheck nicht einverstanden. Das sei das wirtschaftsnaive Verhalten des Christentums: zu denken, alles müsse vergehen. Im Judentum wird die Frage gestellt: Wie erhalten wir das, was wir schon haben?

Worüber sich alle einig sind, ist, dass wir eine gemeinsame Verantwortung für unseren Ressourcenumgang haben. Ich würde trotzdem gerne wissen: Wozu denn jetzt eigentlich? Warum brauchen wir Ethik? Für das Gemeinschaftsgefühl? Damit wir alle friedlich schlafen können? Ich hätte gerne ein paar radikale Vorschläge gehört.

Aber Radikalität ist vielleicht auch nicht möglich, wenn so unterschiedliche Positionen das erste Mal zusammen finden. Es geht dann eher um Anregungen und Perspektiventwürfe.  Und die gab es in diesem Gespräch. Zum Schluss lässt Dieffenbacher es noch ein bisschen funkeln: „Ich habe mit 20 Jahren angefangen VWL zu studieren, lehre es mittlerweile und habe sie immer noch nicht ganz verstanden. Das wollte ich noch kurz sagen.“ I feel you, man.

 

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