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Schnittstellen von Politik und Religion

Veröffentlicht am 14. Juni 2015 um 12:24 von Sarah Pepin

Bei der Podiumsdiskussion “Politik oder Religion?” am zweiten Konferenztag ging es um die politische Macht der Religionen

Ahmet Cavuldak, Edna Brocke, Philipp Stoelger und Jacqueline Boysen.

Ahmet Cavuldak, Edna Brocke, Philipp Stoelger und Jacqueline Boysen.

Die drei großen monotheistischen Weltreligionen an einem Podiumstisch: Edna Brocke, Judaistin, Ahmet Cavuldak, Soziologe und Islam-Wissenschaftler, und Philipp Stoellger, evangelischer Theologe, moderiert von der Journalistin Jacqueline Boysen. Es war eine Tour de Force durch Fragen nach der gesetzgebenden Kraft der Religionen, nach Deutungsmacht und nach dem jeweiligen Freiheitsbegriff. Wie man es bei einem akademisch geprägten Expertengespräch erwarten kann, lag das Diskussionsniveau hoch – und so mancher Verästelung in der christlichen Theologie war es schwierig hinterher zu klettern.

Nichtsdestotrotz gab es Aha-Effekte: dass sich beispielsweise in der Frage der gesellschafts- und gesetzstiftenden Kraft der Religion Edna Brocke und Ahmet Cavuldak als Sprecher*innen für Judentum und Islam gefühlt näher sind, als, wie vielleicht erwartet, die Positionen von Judentum und Christentum. Beide sehen sich als Gesetzesreligionen. Edna Brocke sprach davon, dass die „Tanach“ historisch zur Stiftung eines liberalen demokratischen Staates für die Juden beitragen sollte, die Möglichkeit eines solchen Staates aber bis zur Entstehung Israels nicht gegeben war. Die Frage des Einflusses des Judentums auf die Politik stelle sich dadurch weniger. Für Brocke ist ausschlaggebend, ob die Religion einen Pakt mit der Macht eingeht oder nicht. Die Beziehung des Judentums zur Politik sei insofern auch komplizierter als bei anderen Religionen. Man müsse bedenken, dass „Jude sein nicht eine Glaubensfrage, sondern eine Seinsfrage ist.“

Dass Juden dementsprechend nie politische Macht gehabt haben sollen, löste bei manchem Zuschauer kontroverse Reaktionen aus. Wie stehe es denn mit Marx, Freud, Adorno und Horkheimer? Die waren alle jüdisch und hatten einen massiven Einfluss auf die Menschheitsgeschichte. Edna Brocke unterscheidet jedoch zwischen der kulturellen und politischen Macht.

Auf die Frage hin, was die drei Religionen der Ökonomie oder dem Wachstumsdenken Positives mitgeben können, kamen die überzeugendsten Antworten von Cavuldak und Stoelger. Das islamische Weltbild könne im Idealfall den Blick des Menschen aufrichtiger werden lassen und vom Konsum und Materialismus wegleiten. Philipp Stoelger hat in dem Kontext auf die christlichen Prinzipien des Teilens, des Gebens und des Schenkens hingewiesen. Ein interessanter Ausflug an die Schnittstellen religiösen und politischen Denkens.

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