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Gegen die Krawattenwirtschaft

Veröffentlicht am 13. Juni 2015 um 0:08 von Sarah Pepin

Fast schon Theater: „Wachstum als ökonomische Performance“ beim Campus

Freitagmittag, 13 Uhr. Neben dem Schauspiel Köln steht ein stickiger Blech-Container. Ein junger Mann, das weiße Hemd vorne aus der Hose raushängend, tritt vor das Publikum. Er ist der Solodarsteller im theatralen Beitrag „Wachstum als ökonomische Performance” zum Campus von „Ihr aber glaubet“. Später wird er im schicken Anzug dastehen. Eine Wandlung vom lockeren VWL-Studenten zum normierten Volkswirtschaftler.

Florian Rommel von der Cusanus Hochschule

Florian Rommel von der Cusanus Hochschule

Warum ist die Wirtschaft so, wie sie ist? So monokulturell, mathematisch? Davon handelt diese Performance. Der Held dieser Bühnenerzählung wird schon früh in seinem VWL-Studium mit dem Einführungswerk von  Mankiw, der „Bibel“ der Ökonomen, wie es heißt, traktiert. Die „Bibel“ lehrt Modelle, nicht Weltwissen. Je mehr sich der Student dem herrschenden Diskurs anpasst, umso adretter und biederer sein Look. Das Hemd ist mittlerweile in der Hose, die Krawatte hat er auch an. Sein Diskurs verändert sich, der Duktus wird steifer. Der Mann fängt an über Nutzen-Maximierung und Individualisierung zu reden. Er filmt sich dabei. Bald verschwindet er ganz im Film – als Abziehbild eines konformen Ökonomen. Im Final tritt sein altes Ich dem TV-Bild gegenüber, um das Gedankenvakuum zu durchbrechen und die Kritik am Standarddiskurs der Ökonomie ins Publikumsgespräch zu überführen.

Für diese Performance haben Jonathan Uhmann und Florian Rommel von der Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues sich mit Christoph Stec und NIkhiil Konrad von der Kunsthochschule für Medien Köln zusammengetan, um Fragen der ökonomischen Selbstreflexion performativ zu erforschen. Gibt es überhaupt genug Eigenkritik in der heutigen Ökonomie? Inwiefern ist die Wirtschaftslehre überhaupt noch pluralistisch?

IMG_3327Florian Rommel, der Soloperformer, studiert an der vor kurzem staatlich anerkannten Cusanus Hochschule, die ganz im Zeichen einer Neuformulierung der Ökonomie und der Philosophie steht. Silja Graupe, Vizepräsidentin der Cusanus Hochschule, möchte, wie sie im Interview zur Konferenz sagte, „beide Wissenschaften erneuern und wieder gesellschaftsrelevant werden lassen“. Die Ökonomie werde an der Hochschule nach einem humanistischen Leitbild gelehrt. Der gängigen Wirtschaftslehre werfen die Lehrenden und Studierenden der Cusanus Hochschule eine einseitige „geistige Monokultur“ vor.
Das Problem sei, dass Wirtschaft „momentan unreflektiert gelehrt wird. Studierenden wird eine gewisse Weltsicht antrainiert, die sie selbst aber nicht benennen, geschweige denn kritisieren lernen.” Der Ansatz der Cusanus Hochschule ist ein pluralistischer, der “auf die geschichtliche Gewordenheit der ökonomischen Theorie verweist”, so Silja Graupe.

Wie es ausschaut, wenn Volkswirtschaftler über den Tellerrand hinausschauen, ließ sich auf dem Campus gut beobachten. Bei diesem Workshop haben sich Kunst und Ökonomie in pluralistischer und transdisziplinärer Arbeitsweise getroffen. Die Missstände der heutigen Wirtschaftslehre wurden auf spielerische und ironische Art und Weise dargestellt. Der Workshop hat sich fast angefühlt wie eine Warnung vor einer Gitterrahmen-Denkweise, die man als Mensch (nicht nur als Ökonom, im übrigen!) unbemerkt übernehmen kann. Ein Fanal für alternatives ökonomisches Denken.

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