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Eines ist, in die Nacht zu rasen

Veröffentlicht am 13. Juni 2015 um 15:00 von Christian Rakow
Sarah

Christian Lehnert bei seiner Lesung aus „Windzüge“

Christian Lehnert ist Lyriker – und evangelischer Pfarrer. Bei „Ihr aber glaubet“ ist er der Mann, der „eine andere Temperatur“, „eine andere Sprache“ in die Konferenz einbringen soll, wie Kurator Dirk Pilz sagt. Zum Ausklang des zweiten Tages liest Lehnert heute aus seinem neuen Gedichtband „Windzüge“. Vorab eines der Gedichte der Lesung, mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp-Verlages:

 

 

 

 

Angelus

Eines ist, in die Nacht zu rasen – ein anderes, schauen,
was die Nacht bewegt: eigener, maßloser Traum?
Eines ist, in die Ferne zu fallen mit klarem Blick,
doch das fließende Grenzgebiet, Wirklichkeit, wo ist’s?

Ja, wache nur, atme – immerfort spiegelst du dich.
Arbeite, hoffe, und immer ist doch ein einzelnes Bild,
das dir fehlt, um verläßlich zu sein in dem Ganzen, dem Sog,
zu wirken und jahrlang zu sprechen und zu verstehen.

Plötzlich, opaker Block, die Fahrt in den Beton:
Woher denn sei ich? Undenkbares Enden,
unmögliches Bleiben. Die Ausfahrt ist nächtlich … wie ein Engel,
gleitendes Schweigen, wie Eulen am Waldrand glänzen:

Wieder fehlt ein Bild, aber nun ist es ein Übergang … Engel?
Kommt dir entgegen in anderer Richtung auf Geisterfahrt.
Wie ein Tier, eine Wurzel: Aufprall ohne Widerstand.
Ruhig durch dich hindurch geht die Gnade und findet Grund.

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